in meinen offenen Briefen versuche ich auf meine Weise, politisch aktiv zu werden durch Aufklärung und Handlungsvorschlägen. Für die Regierenden bietet es den Vorteil, eine Rückmeldung von den Wählerinnen und Wählern zu bekommen. Ich versende sie in Form von EMails an die entsprechenden Ministerien und an die Medien.
Aktuell habe ich den Brief ins Netz gestellt <Die Rentner kriegen nix>
Windhöfel Pfarrer i.R. |
Königsberger Str. 4 25774 Lehe kpwindhoefel@gmail.com 25. 03. 2022 |
An das Bundesfinanzministerium, Bundeskanzleramt, Parteivorstände, Spiegel zur Ansicht
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit einiger Überraschung habe ich gestern die Details des „Entlastungspakets“ für die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes zur Kenntnis genommen. Diese Maßnahmen sollen ja eine Hilfe sein für die Bewältigung steigender Kosten, vor allem im Energiesektor, konstante, unflexible Fixbeträge, die nicht wesentlich durch Einsparung verringert werden können.
Vielen steht jetzt eine unliebsame Überraschung ins Haus infolge einer Jahresendabrechnung bzw. Nachzahlung in Verbindung mit einer erhöhten monatlichen Abschlagszahlung bei Gas und Strom (Für meinen Einpersonenhaushalt macht das nur bei Gas allein 30% Kostenzuwachs aus). Angesichts der anziehenden Inflation dürften die beschlossenen Maßnahmen für die meisten meiner Mitbürger kein „Zubrot“, sondern eine absolute Notwendigkeit sein, nicht zuletzt deswegen, weil wegen der Corona-Lockdowns kaum nennenswerte Lohn- bzw. Rentensteigerungen zu verzeichnen waren.
Umso erstaunter bin ich über die Unausgewogenheit und himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit der beschlossenen Maßnahmen. Wie kommen Sie denn dazu, die Rentner und Rentnerinnen völlig auszuklammern? Warum bekommen nur Arbeitnehmer*innen den Zuschlag von 300€? Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Dann würde ich den gerne erfahren, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir den mitteilten. Als Pfarrer im Schuldienst habe ich 25 Jahre auch Ethik unterrichtet und die Werte und Normen unseres Rechtsstaates vertreten. Zentrale Elemente einer jeden Ethik sind vernünftige Einsicht und Gerechtigkeit. Beide Elemente sehe ich im fraglichen Maßnahmenkatalog verletzt. Welche Logik steckt denn dahinter, ausgerechnet jene Gruppe vom Zuschuss auszuklammern, die ihn wohl am dringendsten benötigt? Viele Rentner und Rentnerinnen in unserem reichen Land leben am Existenzminimum. Aus meiner Gemeindetätigkeit als Vikar in Wuppertal weiß ich, dass viele Rentner Hemmungen hatten, Beihilfen zu beantragen, weil sie „dem Staat nicht zur Last fallen“ wollten. Ich kann beim besten Willen keine soziale Gerechtigkeit darin erkennen, dass die 300€ aus einem großen Füllhorn auch Großverdienern zugutekommen, während diejenigen, die es dringend brauchen, leer ausgehen. Wenn Sie eine sozialethische Begründung haben möchten für die Gleichbehandlung von Rentnern und Arbeitnehmern, verweise ich auf den Grundsatz von Generativität und Solidarität. Es stimmt zwar, dass aufgrund des Generationenvertrages die jetzt (jungen) Arbeitenden die Einkünfte der Rentner erwirtschaften, gleichwohl hat die gegenwärtige Rentnergeneration während ihres Arbeitslebens zum Wohlstand und zum gesellschaftlichen Reichtum unseres Landes beigetragen. Generativität erstreckt sich i.d.R. auch auf die Fürsorge für die Kinder; ohne diese weitgehend unentgeltlichen Leistungen unzähliger Familien und vor allem Frauen würde die jetzige Leistungsgesellschaft gar nicht existieren. Die Vorleistungen der älteren Generation haben die jetzige Arbeitsgesellschaft erst möglich gemacht. Außerdem sind viele (junge) Alte noch in Vereinen und sozialen Einrichtungen ehrenamtlich engagiert und tragen zum Gemeinwohl bei. Entschuldigen Sie bitte jetzt meine deutlichen Worte: haben Sie das nicht gewusst oder bewusst ignoriert? Oder wollten Sie vorrangig ihre Wählerklientel befriedigen eingedenk des Umstands, dass ältere Mitbürger eher zur CDU tendieren? Ich finde es – ehrlich gesagt – peinlich, dass Ihnen dieser Fehler unterlaufen ist, zumal sowohl die Partei der Grünen als auch die SPD einen dezidiert sozialen Anspruch vertreten. Teilen Sie mir gerne mal die Begründung mit, falls es da eine gibt. Glauben Sie, dass ältere Menschen eher politisch inaktiv sind und sich nicht organisieren? Ist es Rentnern eher zuzumuten, dass die Wohnung kalt bleibt? Ich jedenfalls möchte meinen Altersgenossen die Demütigung ersparen, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Es wäre dann vermutlich besser gewesen, gar keinen 300€ - Zuschuss zu gewähren, als diese eklatante Ungerechtigkeit in Kauf zu nehmen, die ja durchaus in Form von Vertrauensverlust und Politikverdrossenheit auf Rechtsstaat, Exekutive und Verwaltung zurückfallen könnte. Ich zahle seit meinem 15. Lebensjahr mit Beginn meiner Lehre Steuern, nur unterbrochen von der Studienzeit, bis ins Alter. Ich zahle als Rentner immer noch 400€ mntl. Steuern. Schon unter diesem Gesichtspunkt, dass man ja als Rentner auch immer noch zum Funktionieren des Staatsapparates beiträgt, wäre es mehr als gerecht, auch Rentnern die Einmalzahlung zu gewähren. Ich hoffe, dass sich dieser Fauxpas als Schnellschuss oder Irrtum herausstellt und sich darin nicht eine generelle Missachtung des Wertes älterer Menschen nebst ihrer Leistungen dokumentiert.
Mit freundlichem Gruß
Klaus Windhöfel